
"Bei der Sonne!" Häufig benutzte Redewendung der Carja, meist zur Verstärkung einer Äußerung
Der Sonnenkult ist die Staatsreligion des Carja-Stammes. Er setzt die Sonne als monotheistische Gottheit ins Zentrum des Kosmos und ist für die Carja Grundpfeiler ihrer Regierungsform, ihres Staatswesens, ihrer Gesellschaft, ja sogar ihrer Rechtssprechung und ganz allgemein ihrer Sprache.
Entstehung[]
Der Sonnenkult nahm seinen Anfang, als Araman, der erste Führer der Carja, an einem nicht näher benannten Ort, die "sonnenbeschienenen Blätter der Alten" fand. Wo und wie genau er diese Blätter fand (sehr wahrscheinlich in einer ansonsten stockdunklen Ruine, in der die Relikte vor der Witterung geschützt überdauert hatten), ist nicht übermittelt. Diese Blätter enthielten bruchstückhafte, aber dennoch detaillierte Informationen über Astronomie und Anleitungen zur Berechnung der Bewegungen der Gestirne, allen voran der Sonne. Araman hatte also verlorenes Wissen aus der Welt der Alten wiederentdeckt. Aus diesen bruchstückhaften Informationen ließen sich aber nicht nur die korrekten Berechnungen für die astronomischen Bewegungen ableiten, sondern sie eröffneten durch ihre Aufschlüsselung auch Einsichten in verschiedene Bereiche der Naturwissenschaften, vor allem der Mathematik, sowie der Schriftsprache, die sich wiederum auf das gesamte Leben Aramans und seines Stammes auswirkten.
Die folgenden Reaktionen auf Aramans Entdeckung hätten unterschiedlicher indes nicht sein können: Die Carja betrachteten Aramans Entdeckung und das daraus resultierende Wissen vor allem aufgrund der Art und Weise der Entdeckung als Geschenk einer höheren Macht, die benachbarten Stämme jedoch vertrieben Araman und seine Leute aus Furcht oder Neid (oder anderen, unbekannten Gründen) aus ihrem angestammten Siedlungsgebiet im klimatisch gemäßigten "Wilden Osten". Von der Vernichtung bedroht, flohen die Carja unter Aramans Führung nach Westen, in die heißen Wüstenregionen Colorados und Utahs. Auf diesem Exodus starben viele Carja in der Wüste, darunter auch Aramans Frau und seine Kinder. Dieser Exodus fand erst ein Ende, als die Überlebenden schließlich am Horizont die flirrende, glänzende und absolut überirdisch anmutende Spitze aufragen sahen. Dieses Bauwerk führte die Carja zur in Folge "Juwel" genannten Flußoase in den Ausläufern der Wüstencanyons. Gekrönt wurde diese überirdisch anmutende Szene durch einen Grauhabicht, der auf der Spitze landete.
Für die Carja musste dieser Exodus in die Wüste wie eine göttliche Prüfung erschienen sein: Nicht nur bestimmte die Sonne in diesem neuen Land alles und jeden, sie hatte zudem die Schwachen unter den Carja ausgelöscht und die Überlebenden durch ein göttliches Zeichen, die Spitze, in der sich die Sonne selbst spiegelte, in ein Paradies geführt.
All das - die Entdeckung der Schriften, der Exodus, die Spitze, der Grauhabicht und die Wüste - formte nun den monotheistischen Sonnenkult der Carja. In einem Land, in dem die Sonne alles bestimmte und bestimmt, war dies vermutlich gar nicht zu vermeiden. Immerhin schaut die höchste Gottheit tagtäglich vom Himmel herab und lässt mittels Hitze, Trockenheit und Durst jeden Carja am eigenen Leib spüren, welche Macht sie hat.
Aufbau[]
Der gesamte Sonnenkult dreht sich, wie der Name unschwer erkennen lässt, um die Sonne als oberste Gottheit. Und es ist eine mächtige, stets präsente Gottheit. Die Sonne duldet keinen Widerspruch, Diskussionen sind zwecklos und ihre direkten Auswirkungen sind für jeden Carja leicht zu erkennen. Alles um sie herum ist für die Carja Ausdruck ihres göttlichen Willens. Wie die meisten Religionen weist auch der Sonnenkult eine Dualität auf, um das Konzept von Gut und Böse zu erklären: auf der einen Seite steht die Sonne, die mit ihrem gleißenden Licht alles erfüllt und ausleuchtet. Die Carja trachten danach, aus Zeichen und Begebenheiten ihren Willen zu erkennen und entsprechend dieses Willens gottgefällig zu handeln. Dies deckt im Sonnenkult das Prinzip des "Guten" ab. Ihr mächtiger Gegenspieler ist der "mystische Schatten", die Abwesenheit von Licht, was für die Carja das "Böse" repräsentiert. Diese beiden Aspekte sind die Grundpfeiler, auf denen die Carja ihr kosmisches Weltengerüst errichtet haben. "Im Schatten" zu wandeln ist für die Carja dabei das, was für die alten monotheistischen Religionen "dem Teufel verfallen" war.
Auswirkungen[]
Der Sonnenkult hat alle Bereiche des Lebens der Carja beeinflusst und auch nach wie vor fest im Griff.
Regierung und Staatswesen[]
Die monotheistische Religion und die Lebensumstände förderten die Entstehung eines Gottkönigtums. Die Carja nannten ihr Reich - ganz nach dem Offensichtlichen - Sonnenreich, das Reich, in dem die Sonne regiert. Araman als Stammesführer und augenscheinlich Auserwähltem der Sonne wurde zum Sonnenkönig, dem weltlichen Sohn der Sonne, einem praktisch gottgleichen Wesen mit uneingeschränkter Macht. Sein Wort und Wille wurden Gesetz, er selbst unantastbar, seine Familie praktisch heilig und seine Blutlinie zum Träger dieses göttlichen Segens und Sonderstatus. Der Sonnenkönig entscheidet seit Araman praktisch allein über das Geschick des gesamten Stammes, er hat die Kontrolle über das Militär und die Verwaltung, entscheidet über Krieg und Frieden, Leben und Tod. Er bestimmt auch die Diplomatie und Politik gegenüber den Nachbarstämmen. Seine Beamten, Diplomaten und Soldaten sind Werkzeuge, die seinen Willen ausführen. Ein kompliziertes Geflecht aus feudalen Abhängigkeiten, Allianzen und Treueverpflichtungen stützt seine Position als Alleinherrscher. Die Carja sehen in ihm einen unfehlbaren Anführer, dem Folge zu leisten ist. Dieser Personenkult hat dazu geführt, dass den Carja ziviler Ungehorsam oder ausgewachsene Revolten praktisch fremd sind und dies hat das politische System über Generationen somit kaum verändert.
Gesellschaft[]
So wie die Politik hierarchisch gegliedert wurde, wurde es auch die Gesellschaft. Die Carja kennen ein kompliziertes Geflecht aus gesellschaftlichen Ständen, denen ganze Familienclans angehören und innerhalb dieser Stände untereinander konkurrieren und Allianzen eingehen. Unter dem Gottkönig stehen die "Khane", Familien, die in einem System aus Adelstiteln den höchsten Hochadel stellen und die Schaltstellen der Macht in Militär, Wirtschaft und Verwaltung besetzen. Darunter kommen die restlichen Adeligen, gefolgt von freien Bürgerlichen, die Handwerksberufen oder dem Handel nachgehen, unter diesen stehen Gewöhnliche, unter diesen wiederum Leibeigene und ganz unten stehen Sklaven und Ausländer. Zwischen den einzelnen Schichten bestehen ebenfalls komplizierte Abhängigkeiten, die zu Gehorsam und Treue verpflichten, im Gegenzug aber auch zu Fürsorge und Schutz.
Auf gleicher Ebene wie der weltliche Hochadel stehen als religiöse Instanz die Sonnenpriester. Sie pflegen den Sonnenkult, vollziehen die heiligen Rituale, beobachten den Lauf der Gestirne, interpretieren die Schriften und die tagesaktuellen Zeichen der Sonne. Sie beraten den Sonnenkönig in religiösen Fragen, aber auch in ganz praktischen Dingen, da die Sonne und ihr Wille selbstverständlich auch die Tagespolitik beeinflusst. Die Carja glauben vom Adeligen bis zum Leibeigenen fest daran, dass die Sonne ihre Geschicke lenkt, richten sich in ihrem alltäglichen Dasein nach religiösen Geboten und fürchten sich zudem ständig davor, den Zorn der Sonne auf sich zu ziehen. Damit konzentrieren die Sonnenpriester ungeheure Macht in ihren Händen, auf die sogar der Sonnenkönig Rücksicht nehmen muss. Zwar ist er der Sohn der Sonne, aber die Sonnenpriester haben sehr wohl verstanden, dass ihre Meinung im Sonnenreich enormes Gewicht besitzt.
Ein weiterer Aspekt des Sonnenkultes bestimmte auch das Verhältnis der Geschlechter. Aus nicht mehr bekannten Gründen betrachteten und betrachten die Carja die Sonne als männlich und leiten daraus wiederum ab, dass Männer durch göttliche Weisung über den Frauen stehen. Zu dieser Sichtweise beigetragen haben dürfte auch der Tod von Aramans Frau, die den Exodus nicht überlebt hatte und damit die vermeintliche weibliche Unterlegenheit unfreiwillig bekräftigt haben könnte. Außerdem bedeutete das heiße Klima und der Überlebenskampf der ersten Carja-Generationen, dass Frauen von gefährlichen Tätigkeiten ferngehalten wurden, waren sie doch für den Fortbestand des Stammes unverzichtbar. In der Folge wurden Carja-Frauen über Generationen aber auch systematisch auf "typisch weibliche" Aufgaben und "Pflichten" beschränkt und schließlich aus allen Entscheidungsprozessen des Stammes herausgedrängt. Gleichzeitig sahen und sehen sich Carja-Frauen mit mit einer gesellschaftlichen Erwartungshaltung konfrontiert, die dieses Rollenbild zementiert. Nur wenige Carja-Frauen wie Talana Khane Padish oder Janeva wagen es, sich dieser gesellschaftlichen Erwartungshaltung zu widersetzen.
Alltag[]
Was für Politik und Gesellschaftsthemen gilt, gilt auch für den Alltag der Carja. Sie leben in einer Wüste, in der die Sonne Tag für Tag auf das Land niederbrennt und das Leben aus der ungeschützten Erde herausdörrt. Für die Carja ist Dürre in weiten Teilen des Sonnenreichs Normalzustand, die meisten Siedlungen liegen erhöht über dem Talboden, um der brütenden Hitze zu entgehen. Nur an wenigen Orten, vor allem im Juwel, der ausgedehnten Flußoase am Fuß der großen Tafelberge, ist Landwirtschaft möglich. In dieser Umgebung ist es mit dem beschränkten naturwissenschaftlichen und geografischen Wissen der Carja praktisch unmöglich, die Sonne nicht als absolute Gottheit zu sehen und als erbarmungslose noch dazu. Die Carja betrachten jeden Tag als Prüfung, Schwäche wird von vielen verachtet und von der Sonne meist auch direkt bestraft. Jene Carja, die sich von der Sonne zu Höherem berufen fühlen, sind meist besonders hart und unnachgiebig gegen sich selbst, um ihrer Gottheit zu entsprechen.
Rechtssprechung[]
Der Sonnenkult beeinflusst auch die Rechtssprechung der Carja: Lange Zeit war es üblich, Verbrecher bis zum Hals im heißen Wüstenboden einzugraben und mit dem Mund voll Salz je nach Vergehen Stunden bis Tage der prallen Sonne auszusetzen. Überlebten sie diese Tortur (was vor allem bei schweren Verbrechen wohl eher sehr selten der Fall war), so galt das Verbrechen als gesühnt und sie selbst als von dem unbarmherzigen Gericht der Sonne "gereinigt". Diese Rechtspraxis wurde erst unter dem vierzehnten Sonnenkönig Avad insofern abgewandelt, als das Verbrecher nun in Sonnenfels "nur noch" in brütend heiße, aber immerhin schattige Zellen gesperrt werden, um nach Absitzen einer Zeitstrafe und gründlichem Nachdenken über ihre Taten eine zweite Chance zu erhalten.
Sprache[]
Auch die Sprache der Carja wird vom Sonnenkult beeinflusst. Viele Carja beziehen sich in Wort und Schrift auf die Sonne, wenn sie Aussagen oder Emotionen bekräftigen wollen. So wie in den großen monotheistischen Religionen der Alten Redewendungen wie "Ach Gott" oder "Bei Allah" oder "Um Himmels willen" allgemein gebräuchlich waren, verwenden die Carja die Redewendung "Bei der Sonne" geradezu ständig. Ihre Schrift, die so genannten "Glyphen", entwickelten die Carja aus den Schriftzeichen, die sie in den "Blättern der Alten" entdeckten. In der Welt von Horizon sind die Carja-Glyphen bislang offenbar die einzige bekannte echte Schriftsprache und die Carja haben damit einen entscheidenden Vorteil gegenüber den anderen Stämmen, die Wissen oder Informationen nur mündlich weitergeben. Die Carja können Informationen und Wissen jederzeit schriftlich festhalten, unterschiedliche Quellen miteinander verknüpfen, einmal erlangtes Wissen unverfälscht bewahren sowie schnell weitergeben. Es reicht, der Glyphen mächtig zu sein, also lesen und schreiben zu können, um Zugriff auf jedes vorhandene (und zugängliche) Wissen zu haben.
Weltsicht[]
Der Sonnenkult bestimmt auch die Weltsicht der Carja - mangels weitreichender Transportmittel sind die meisten Carja - wie alle anderen bekannten Stämme auch - auf ihre Siedlungen und deren nähere Umgebung beschränkt. Sämtliche Wege werden zu Fuß zurückgelegt, Waren mit Handkarren transportiert. In der brütenden Wüstenhitze sind Distanzen, die weiter als wenige Kilometer messen, damit bereits ausgewachsene Unternehmungen und damit Händlern und vor allem dem Militär vorbehalten. Diese Beschränkung führt zwangsläufig dazu, dass der geographische Wissenshorizont der meisten Carja tatsächlich dem topografischen Horizont entspricht - die Welt reicht so weit, wie sie von ihren Bergsiedlungen aus sehen können und das Sonnenreich sich erstreckt. Alles hinter den Reichsgrenzen ist bestenfalls abstrakt und basiert auf Hörensagen und mehr oder weniger zuverlässigen Berichten. Die Länder jenseits der Reichsgrenze sind den Carja praktisch unbekannt, ebenso die Tatsache, dass die Erde eine Kugel ist.
Der Sonnenkult fügt dieser begrenzten Sichtweise nun noch ein spezielles Element hinzu: In der Weltsicht der Carja scheint die Sonne, ihre höchste Gottheit, offensichtlich nur im Sonnenreich und nimmt auch nur hier ihre höchste, wärmste und stärkste Position ein. Aus Sicht der Carja verstärkt dies das Unbehagen gegenüber allem, was im "Wilden Osten" beziehungsweise im "Verbotenen Westen" liegt. Denn immer, wenn die Sonne im Westen untergeht, bricht die Dunkelheit über die Welt herein und die nächtliche Abwesenheit ihrer Gottheit dürfte für die gewöhnlichen Carja eine Zeit der Unsicherheit darstellen. Diese Unsicherheit endet erst, wenn sie Osten wieder erscheint. Für die gewöhnlichen Carja wirkt es also so, als lägen die Länder jenseits der Reichsgrenze in ständiger Dunkelheit - oder würden zumindest nur schwach erleuchtet.
Diese Sichtweise hat zusammen mit anderen Faktoren zu dem typischen Überlegenheitsgefühl aller wissenschaftlich beschränkten, monotheistischen Religionen geführt: Ganz offensichtlich sind die Carja auserwählt und allen anderen überlegen, allein schon, weil sie tagtäglich unter der Hitze der Sonne bestehen, während Angehörige anderer Stämme (zunächst) Probleme damit haben. Sonnenkönig Khuvadin erklärte nach erfolglosen Eroberungsversuchen, dass der "Wilde Osten" "den Ansprüchen des Volkes der Sonne nicht länger genüge" und der "Verbotene Westen" wiederum war den Carja von vornherein suspekt, handelt es sich doch um mysteriöse Lande "jenseits des Schreckens", in denen die Sonne versinkt.
Negative Effekte[]
So sehr der Sonnenkult die Gesellschaft der Carja auch stabilisiert und ihr nützt, so sehr hat er auch äußerst gefährliche Seiten, wenn die falschen Leute in Machtpositionen kommen. Da die Carja ihren Sonnenkönig als unfehlbar ansehen, gibt es praktisch keine "Kontrollinstanzen", die einen einmal eingeschlagenen Weg einer kritischen Überprüfung unterziehen könnten. Ihr König gibt vor, die Carja folgen, vom hohen Adligen bis hinunter zum Bettler. Das verschafft den Carja zwar Vorteile wie Schnelligkeit und Effizienz, führt aber auch zu Kadavergehorsam.
Besonders verheerend kann dieser unbedingte Gehorsam werden, wenn die Schalthebel der Macht von Fanatikern besetzt werden, die noch dazu von ihrer Macht korrumpiert werden. Diese Lektion mussten die Carja unter dem dreizehnten Sonnenkönig, Jiran, und Hohepriester Bahavas auf blutige und schmerzhafte Weise lernen. Während Jiran allmählich über Jahre den Verstand verlor, konzentrierte Bahavas durch die radikale und fanatische Auslegung des Sonnenkults ungeheure Macht auf sich, die er ungehemmt ausnutzte, um seine eigenen Ansichten und Ziele durchzusetzen. Das Ergebnis war eine Terrorherrschaft, die von brutaler Gewalt, endlosem Blutvergießen und einer Ausmerzung aller politischen oder ideologischen "Gegner" sowie der erbarmungslosen Klassifizierung der Menschen in "Wertvoll" und "Unwert" beziehungsweise "Stark" und "Schwach" gekennzeichnet war.
Es brauchte den Tod des Kronprinzen Kadaman und einen offenen Bürgerkrieg, um diesen mehr als zehn Jahre andauernden Wahnsinn im Jahr 3037 zu beenden.